Architekt Bitzan und seine Beziehung zu Freital

Wäre die Stadt Freital kurz nach ihrer Gründung (im Zeitraum 1922-1928) in der Lage gewesen die gewünschten neuen Stadträume tatsächlich komplett  wie geplant umzusetzen, wäre es Bitzan´s  größtes Werk  in seinem Leben gewesen. Wann bekommt ein  Architekt schon die Gelegenheit eine Landschaft die aus drei Landgemeinden (Deuben, Döhlen, Potschappel) mit industriellem Gepräge bestand, sowohl  funktionell als auch sichtbar den Charakter einer Stadt zu geben oder eine Stadt zu formen und an mehreren Brennpunkten aktiv mitzuwirken.  Dabei ging die Stadt systematisch und analytisch vor: Sie stellten fest, dass die zusammenhängende Talfläche  die sich über die drei Gemeinden ausbreitete, begrenzt und eingeschränkt durch Berge, vorhandene Bebauung und Fluss und Straßen, elliptisch geformt ist und es dort zwei Bereiche gibt,  die sich zu städtischen Arealen gestalten lassen. Dabei hatte man nicht nur einen zentrumbildenden Rathausplatz im Sinn, sondern auch Freiräume in Form von Grünanlagen die zur Verschönerung und Erholung der zukünftigen Stadtbewohner dienen sollten.

Die 1921 gegründete Stadt Freital rief bereits 1922 zum Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für drei Gebäude auf. Es sollten eine HandeIs - und Gewerbeschule, ein Steuerhaus und eine Stadthalle über einen beschränkten Ideenwettbewerb geschaffen werden.  Bitzan erhielt für seinen Entwurf einen von zwei ersten Preisen. Dieser Wettbewerb war am Anfang für einen anders Areal gedacht, die Gebäude sollten auf dem ehemaligem Gelände der Chemiefabrik Reichard eingefügt werden, heute Reichard-Siedlung zwischen Deubner Straße, Burgker Straße und Fluss Weißeritz. Die Idee des Rathausplatzes bzw. Forums am späteren Neumarkt von Freital kam erst später. Da originale Unterlagen vom Wettbewerb noch fehlen, haben wir keine Vorstellung vom aussehen der ursprünglischen Gestaltung.

Die beiden möglichen zu gestaltenden Flächen waren zuerst das Areal um den sogenannten Neumarkt in Neudöhlen in Freital (zukünftiger Rathausplatz) und die zweite Fläche war der Potschappler Markt der 1925 zu einer kleinen ansehnlichen Grünfläche mit zentralem Brunnen durch Bitzan gestaltet wurde und sogar mit der dahinter liegenden Fläche, ehemals Rittergutsgarten, heute dem parkartigen „Platz der Jugend“, verbunden werden sollte. Es war geplant beide Grünflächen durch eine breite Brücke über die Weißeritz zu einer großen städtischen Grünanlage zu verbinden.

1924 gab es einen weiteren Architekturwettbewerb der Stadt Freital, für einen Zentralfriedhof mit Krematorium und dazu eine darunterliegende Parkanlage, genannt „Volkspark“, die den Friedhof mit der Stadt verbinden sollte. Auch eine Brücke samt Straßenanbindung wurden dort neu angelegt und die Brücke 1925 fertiggestellt (Augustusbrücke/heute Leskestraße), war ebenfalls ein Entwurf Bitzan´s (aber heute bereits durch eine Neue ersetzt). Bitzan gewann 1924 auch bei dem Friedhofswettbewerb den 1. Preis.

Leider wurden Bitzan´s drei große Hauptprojekte für Freital nur Teilweise umgesetzt, die Grünanlage in Potschappel konnte 1925 fast komplett realisiert werden, nur das durch eine Umgestaltung von 1960, die Form des Markt-Platzes verändert wurde und der große runde Bitzan-Brunnen auf dem Potschappler Markt  abgerissen wurde. Auf dem Neumarkt in Freital konnte dann als Auftakt, dass 1928 nach Bitzan`s Entwurf  ausgeführte Stadthaus (heute Ärztehaus) fertiggestellt werden, Bitzan selbst nannte dieses Bauwerk in seiner Eröffnungsrede, seinen "Eckpfeiler  des Herzens von Freital".  Für dieses Gebäude übernahm er auch die Gestaltung der Innenarchitektur und wählte für die öffentlichen Räume (Kaffee, Sparkasse) mit Fingerspitzengefühl Möbel, Lampen und eine moderne Deckengestaltung aus.

 

Der städtische Zentralfriedhof sollte auf Grund von gesetzlichen staatlichen Vorgaben die Bevölkerung in die Lage versetzen ihre Angehörigen angemessen zu bestatten, da durch Krieg und Kriese weiten Kreisen der Bevölkerung die finanziellen Mittel zur Bestattung ihrer Angehörigen fehlten und häufig auch die Ernährer im Krieg geblieben waren, es herrschte Armut.  Es war nun die Aufgabe der Gemeinden und Städte Lösungen zu finden. Die Städte und Gemeinden waren verpflichtet  die Bestattungkosten für die Antragsteller/Bedürftigen fast ganz zu übernehmen. Die Stadt versuchte einen eingenen Friedhof unter ihrer Führung zu erlangen, um Kosten zu sparen. Am Anfang strebte man danach die kirchlichen Friedhöfe in städtischen Besitz zu bringen, dies stieß aber vor allem bei der Kirchenobrikeit auf große Ablehnung, so daß nichts anders übrig blieb einen eigenen neuen Friedhof zu bauen.  Nach dem Abtritt vom ersten Bürgermeister Dr. Carl Wedderkopf stand das von ihm vorrangetriebene Friedhofs-Projekt kurz vor der Ausführung. Wenige Monate später wurden die geplanten Gelder für den Friedhof entnommen, da das Projekt  angeblich noch in der Planungphase wäre, kurz darauf ließ man Architekt Bärbig aus Dresden noch mal eine vereinfachte Variante ohne Krematorium planen, die ebenfalls nicht umgesetzt wurde.

Die wichtigste Figur für die Stadtplanung Freitals in den Anfangsjahren 1922/1927 war der  Bürgermeister Wedderkopf, er als Vorsitzender der Baukommission verfolgte ehrgeizig seine Ziele, er erarbeitet immer wieder brauchbare Finanzierungskonzepte für die durchführung der Bauprojekte und hatte von Anfang an ein großes Interesse an der baulichen Entwicklung Freitals und förderte auch intensiv die  Anlage von Grünflächen in der Industriestadt  Freital.  

Bitzan,  als Lieblingsarchitekt Freitals baute noch vor der Stadtgründung 1921, das Rathaus Döhlen 1914/1915, später baut er das Konsumgebäude Potschappel 1926/1927 und wirkte mit seinen Ideen entscheidend an der Erweiterung des Krankenhauses Freital mit 1925/1927. Auf Grund des Umfangs der Beteiligung an den städtischen Planungen, könnte sich Freital auch ohne weiteres Bitzan-Stadt nennen.

 

Bitzan´s Projekte und Entwürfe in der Stadt Freital:

 

1914/1915 Entwurf und Errichtung Rathaus Döhlen, vor der Stadtgründung.

 

1922 Wettbew.: HandeIs-und Gewerbeschule, Steuerhaus, Stadthalle in Freital (I. Preis)

 

1924 Entwurf  für einen Zentralfriedhof mit Krematorium und Volkspark für Freital (I. Preis)

 

1925 Entwurf Geschäftshaus Konsumverein „Vorwärts“ Freital-Potschappel (I. Preis)

 

1925 Entwurf Augustusbrücke heute Leskestraße in Freital (Ausführung G. Wohlrab Freital)

 

1925 Marktbrunnen Freital Potschappel

 

1925 Platzanlage Freital-Potschappel, Markt und Friedrich Ebert-Platz (Platz der Jugend)

 

1925 Auftrag Anfertigung Modell-Areal Neumarkt Freital (mit Zentralfriedhof) 1: 5000

 

1925/26 Entwurf für einen verbindenden Krankenhausmittelbau für das Krankenhaus Freital

 

1926  Entwurf  Konzerthaus Freital

 

1926 überarbeiteter Entwurf für das Forum Neumarkt Freital

 

1926 überarbeiteter Entwurf für ein Krematorium Freital

 

1926/1927 Errichtung, Geschäftshaus Konsumverein „Vorwärts“ Dresden, Freital-Potschappel

 

1927/1928 Errichtung Stadthaus Freital am Neumarkt mit Innenraumgestaltung

 

(Quelle: private Aufzeichnungen von R. Bitzan und Pressemitteilungen, Belege in den Artikeln über seine Bauwerke)

 

 

 

Kommentar:

 

Die Pläne zum Bau der Handels-und Gewerbeschule Freital stammen vom Stadtbaumeister Röthig, er lieferte auch die Pläne zum benachbarten Gebäude der Ortskrankenkasse (bearbeitet durch Architekt BDA Richard Merz- Dresden).

Die Handels-und Gewerbeschule war ursprünglisch das Gebäude der geplanten Stadtbank, das Gebäude der Stadtbank, wurde als es schon fast fertig war, umfunktioniert in die oben benannte Schule und die Schule sollte später ein eigenes neues Gebäude erhalten, diese Pläne wurden aber nie umgesetzt. Die Stadtbank zog dann in das Potschappler Rathaus in den Ratskeller im erhöhten Untergeschoß ein und erst 1930 wurde in dem alten großen "Gasthof Wagner" an der Ecke Dresdner Str./Güterstraße in Deuben ein Gewerbeschule eingebaut, die um 1990 abgerissen wurde um ein modernes Gebäude an der Burgker Straße zu errichten.

Es wurde ursprünglich immer angenommen, dass die Baupläne für die drei benachbarten Gebäude von BDA Rudolf Bitzan stammen, tatsächlich hat Bitzan das Stadthaus und die Zentralpost am Neumarkt nachweislich entworfen. Bitzan erhielt den Auftrag den übergeordneten Entwurf zur Gestaltung der Gesamtanlage in einem Stadtmodell für das Neumarkt-Areal und Zentralfriedhof umzusetzen, als Gesamtergebnis aus den Entwürfen der Wettbewerbssieger von 1922 und den Vorstellungen der Stadtverwaltung und den Entwürfen der Stadtarchitekten Schott und Röthig. Bitzan ist also nicht der Architekt der Handels-und Gewerbeschule, der Ortskrankenkasse  und des Finanzamtes in Freital. Das benachbarte Finanzamt wurde vom Architekt Felix A. Schmidt aus Freital ausgeführt, die Pläne dazu stammen vom Regierungsbaurat Feuchtmann vom Reichsbauamt und war auch nicht Teil der städtischen Ausschreibung, da es ein staatliches Projekt war, aber denneoch von der Stadt gewünscht und Bestandteil der Gesamtgestaltung war.

Schule und Finnazamt wurden auf dem Stadtmodell von 1925 schon dargestellt, da sie zu diesem Zeitpunkt bereits errichtet waren und für das Finazamt nur noch der Innenausbau vollendet werden mußte. (siehe unter Bauwerke und Projekte Bürgermeister Dr. Wedderkopf von Freital)