Architekt Bitzan in Freital

 

Entstehungsgeschichte von Rathaus Döhlen bei Dresden 

 

 

 

Am 07. Januar 1914 fand in der Gemeinde Döhlen die erste Gemeinderatssitzung des Jahres  statt, in der über die Pläne zum Neubau eines Gemeindehauses gesprochen wurde. Es soll für die Zukunft gebaut werden. Zimmer und Räume sollen so bemessen sein, das sie jetzt für eine Gemeinde von 6000 Einwohnern Verwendung finden oder später auch für die doppelte Einwohnerzahl. Das bisherige Gemeindeamt ist mit in die Pläne eingearbeitet, weil es einstweilen stehenbleibt. Die Pläne dazu stammen von den Architekten Bitzan, Bohlig, Bode und Grundmann, Richter-Loschwitz, Schleinitz und Schönberger-Dölzschen. In die engere Wahl kamen die Entwürfe Bitzan, Schleinitz und Schönberger. Der besten Grundrisse wurde von Bitzan aus Dresden geliefert, der gebildete Ausschuss bat die Ausführung des Baues Bitzan zu übertragen. Bedingung war, der Architekt hatte erst ein Modell zu liefern. Als Honorar sollen 5% der Bausumme gezahlt werden, dafür hat der Architekt sämtliche Vorarbeiten, Reisen, Pläne, Zeichnungen zu leisten. Der Entwurf für Sachen, die sich auf die künstlerische Inneneinrichtung beziehen, sollen extra vergütet werden. Die Baukosten sind so zu berechnen, dass ein Kubikmeter unbebauten Raumes  mit 20 Mark angesetzt ist, so werden sich die Kosten auf 100 bis 110 000 Mark belaufen. Einschließlich Einfriedung, Schleusen und Kläranlagen, das heißt bezugsfertig, aber ohne Inneneinrichtung für Ratskeller und Büro. Die Post, um die nachgefragt wurde, ist für das alte Gemeindehaus  projektiert.

 

In das Kellergeschoß sollen die: Schwemme, der Ratskeller, ein Vereinszimmer und zum Wirtschaftsbetrieb notwendige Räume kommen.

 

Erdgeschoß: Büroräume, Meldestelle, Schutzmannzimmer.

 

2. Geschoß: kleiner Sitzungssaal, die Vorstandswohnung und Standesamt.

 

3. Geschoß: großer Sitzungssaal, Wohnung für den Wirt und Hausmann.

 

Deshalb hatten wir die Entwürfe Bitzans vorgeschlagen, weil er auch nicht teuer ist, denn der Bau wird 100 000 Mark nicht überschreiten. Die Möglichkeit Flügelbauten auszuführen, geben Gelegenheit, hier ein Zentralrathaus zu schaffen, wenn die Eingemeindung in Frage kommt. Der Architekt hat sich nach den umliegenden Häusern gerichtet und ein Satteldach geschaffen, er ist auch bereit auf berechtigte Änderungswünsche einzugehen. Gelobt wurde die gute Raumausnutzung und Zweckmäßigkeit der Planung Bitzans. Der Eingang zum Ratskeller ist bequem und praktisch und der schöne Garten bleibt zum Teil erhalten. Das Grundstück ist ca. 9 m von der Straße geplant. Der dazu gebildete Bauausschuss bemerkte noch, dass es ohne Türmchen nicht abgehen wird. Es wurde gebeten hiesige Gewerbetreibende beim Bau zu berücksichtigen. Man hofft, das Einwohner die Innenausschmückung zum Teil schenken werden, bunte Fenster usw. Es erfolgte die Abstimmung, es gab 2 Stimmenenthaltungen und alle anderen dafür. Der Bau des neuen Rathaus Döhlen ist beschlossen und das Projekt Rudolf Bitzans angenommen. 

 

Ansichtskarte, Sammlung Lutz Ziegenbalg aus Freital.

Blick auf den alten Ortkern von Döhlen noch ohne Rathaus.


 

Die Eröffnungssitzung fand am 27.Oktober 1915, Mittwoch am Abend statt, mitten im ersten Weltkrieg. Im großen Sitzungssaal hielt der Gemeindevorstand Heinrich die Eröffnungsrede und begrüßte die anwesenden mit dem Bergmannsgruß „Glück Auf“ zur ersten Gemeinderatssitzung im neuen Gebäude. Er spricht zu den Versammelten, wir sind zusammengekommen um die Weihe dieses  Gebäudes, in einer Zeit schwerer Trauer, die nicht dazu angetan ist prunkvolle Feste zu feiern und sie hatten die Weihe dieses Rathauses in aller Stille und Einfachheit vorgenommen.

 

Rückblickend sagt er, die Gemeinde Döhlen, noch in der Mitte des 19. Jahrhunderts eine kleine, unscheinbare ländliche Gemeinde, hat sich im Laufe der Zeit zu einer Industriegemeinde  herausgebildet. Noch vor wenigen Jahrzehnten konnten Verwaltungsgeschäfte vom Gemeindevorsteher im Nebenamt in der Privatwohnung ausgeübt werden. Später mussten Hilfsbeamte angestellt und Geschäftsräume angemietet werden. Es kam dann zum Ankauf des an der Stelle des neuen Rathauses stehenden alten Gemeindehauses. Das alte Gebäude reichte nicht mehr, um die Gemeinde auf ein sicheres Fundament zu stellen wurde rechtzeitig ein finanzieller Grundstock für das künftige Rathaus gelegt. In dem alten Gemeindehaus wurden die Geschäfte der Gemeinde über 25 Jahre geführt.

 

1913 herrschte überall große Arbeitslosigkeit, die Gemeinde erwog die Vornahme von Notstandsarbeiten. Man entschloss sich, obwohl noch kein Bedürfnis bestand, zum Bau eines neuen Verwaltungsgebäudes. Man wollte damit der hohen Arbeitslosigkeit entgegentreten und mit dem neuen Haus den Anforderungen der Zukunft gewachsen sein.

 

Alle Vorarbeiten wurden im Frühjahr 1914 erledigt und der Baubeginn war am 1.Mai 1914, noch in Friedenszeiten. Schon im Juni kündigte sich der Krieg an und am 1. August 1914 nahm das Unheil seinen Lauf. Ein Krieg der nichts anderes ist, als ein Wirtschaftskrieg, er wurde uns aufgezwungen und sollte uns nach dem Willen unserer Feinde unseren wirtschaftlichen Untergang bringen, so sprach Herr Heinrich. Man entschloss sich den Bau nicht einzustellen. Durch ständige Einzüge gab es erhebliche Schwierigkeiten, die anfangs reichlich vorhandenen Arbeitskräfte wurden immer geringer, es kam immer wieder zu Stockungen im Bau.

 

Dank dem Architekten Bitzan, der fern von seinem Werk im Kriegsdienst, für Österreich, die Direktive für den Bau zu geben verstand, dessen Geist immer auf der Baustelle weilte. Der Sprecher dankt auch dem Baumeister, Bauleiter, Bauhandwerkern und Künstlern.

 

 

 

Rundgang durch das neue Rathaus:

 

Der große Sitzungsaal im oberen Teil des Gebäudes, eine reiche Fülle von Licht strahlt von der getönten Decke herab, mit gebeizten Nussbaumgetäfelten Wänden. Sessel nehmen die Mitglieder an einer Tafel auf. Die Zuhörer nehmen auf der Tribüne Platz. Alle Räume werden von Dampfheizungen erwärmt.

 

Im Erdgeschoss sind Kassenstellen und Arbeitszimmer. Eine Treppe höher sind Arbeitszimmer für den Gemeindevorstand und ein kleiner Sitzungssaal für die Ausschüsse und ein Standesamt mit einer Kapellenmäßigen Ausstattung.

 

Der Ratskeller ein wirklicher Bierkeller – überall viel Licht und Farbe. Es gibt eine Bauernstube und Honoratenzimmer für geschlossene Gesellschaften. Es befinden sich im Gebäude auch Zellen für andere Gesellschaften. Der Bau wird die Finanzen nicht belasten, da er sparsam und zweckmäßig gestaltet ist. Die Nachfahren werden den Vorfahren für den Bau dankbar sein.

 

 

Foto, Lutz Ziegenbalg, Quelle: Hauptstaatsarchiv, SächsStA-D, Sächsisches Staatsarchiv, 12655 Personennachlass Rudolf Bitzan, Nr. 58

 

Rathaus Döhlen vor 1920 aufgenommen,vom Dach eines gegenüberliegenden Geschäftshauses. Es ist ein großformatiges Foto aus dem Nachlass von Rudolf Bitzan.

 

 

Ansichtskarte, Sammlung Lutz Ziegenbalg aus Freital. ©

Hier eine Ansicht vom Geschäftshaus gegenüber dem Rathaus, von dessen Dach man das vorherige Bild fotografierte. Fast alle Gebäude auf der alten Hauptstraße heute Lutherstraße wurden nach 1990 abgerissen. In diesen Häusern wohnten meist Arbeiter, Bergläute und Handwerker.

 

 

Foto Sammlung Jörg Hubrig aus Freital ©

 

April 1992, Lutherstraße frühere Willi Schneider Straße 25 (links Haus Nr. 23), davor Hauptstraße in Döhlen, gegenüber dem Rathaus. Alle Gebäude wurden wenig später abgerissen. Vergleiche historische Ansicht darüber.